Vor langer Zeit, als das Erzgebirge noch von dunklen Wäldern und verborgenen Schätzen durchzogen war, lebte ein junger Kuhhirte namens Hans. Er diente als Knecht bei dem reichen und hartherzigen Bauern Konrad, den die Dorfbewohner nur den Dammicht-Bauern nannten.
Dieser Name kam nicht von ungefähr – bei jedem Missgeschick, bei jeder Kleinigkeit fuhr ihm ein gotteslästerlicher Fluch über die Lippen: „Dammicht!“ rief er, wenn ein Pferd scheute. „Dammicht!“ schrie er, wenn das Brot nicht schnell genug auf dem Tisch stand. Und „Dammicht noch einmal!“ brüllte er, wenn ein Knecht es wagte, ihm zu widersprechen.



Hans ertrug die Schikanen geduldig, denn sein Herz gehörte Marie, der schönen und sanften Tochter des Bauern. Doch Konrad hätte es niemals erlaubt, dass ein armer Knecht um seine Tochter warb.
Eines Tages, als Hans mit seinen Kühen auf der Weide war, begegnete er einer alten Frau mit zerzaustem Haar und müden Augen. „Hast du ein Stück Brot für mich?“, fragte sie. Obwohl Hans selbst kaum etwas besaß, teilte er ohne Zögern sein letztes Stück Brot mit ihr. Die Alte lächelte, zog ein Stück Baumrinde aus ihrem Mantel und sagte: „Nimm dies als Dank. Es birgt mehr, als du denkst.“
Hans betrachtete die Rinde verwundert. Als er abends zum Hof zurückkehrte, erzählte er seinem Herrn von der Begegnung. Der Dammicht-Bauer lachte hämisch. „Dummkopf! Du gibst dein Brot für ein Stück toten Baum? Dammicht, so dämlich kann nur ein Bettel-Knecht sein!“ Er riss Hans die Rinde aus der Hand und wollte sie ins Feuer werfen. Doch Marie hielt ihn auf. „Lass uns abwarten, Vater. Vielleicht steckt mehr dahinter, als du glaubst.“



In dieser Nacht legte Hans die Rinde auf sein Fensterbrett. Als die ersten Sonnenstrahlen sie berührten, geschah das Wunder: Die Rinde verwandelte sich in pures Silber. Hans und Marie staunten. Doch als Konrad davon erfuhr, sah er nur eines – Reichtum. Gierig verlangte er das Silber für sich. „Dammicht, das gehört mir! Alles auf meinem Hof gehört mir!“ Doch Hans weigerte sich. „Dieses Geschenk gehört nicht dir, sondern mir und Marie.“
Vor Zorn brüllte der Dammicht-Bauer so laut, dass die Fenster zitterten. Er jagte Hans mit einem Knüppel vom Hof. Doch Marie floh mit ihm. Mit dem Silber als Mitgift konnten sie sich eine kleine Hütte bauen und ein glückliches Leben beginnen.
Der Dammicht-Bauer aber wurde von diesem Tag an immer grimmiger. Keiner wagte es mehr, ihn anzusprechen. Eines Nachts, als ein schweres Gewitter über das Dorf zog, hörte man ihn noch ein letztes Mal laut schreien: „Damm—!“ Dann fiel ein Blitz vom Himmel und spaltete das Dach seines Hauses. Am Morgen war Konrad verschwunden. Niemand sah ihn je wieder.
Doch an jener Stelle, wo Hans die Rinde erhielt, wuchs ein Baum mit silberner Rinde. Die Dorfbewohner sagen, dass in stillen Nächten ein leises Fluchen aus seinen Zweigen dringt – als könne der Dammicht-Bauer selbst nach dem Tode keine Ruhe finden.